Haushaltsrede der SPD-Fraktion zum Haushalt der Gemeinde Reichshof 2023

Haushaltsrede der SPD-Fraktion zum Haushalt der Gemeinde Reichshof 2023

Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren aus Rat und Verwaltung, liebe Bürger und Bürgerinnen.

Bei der Haushaltseinbringung in der Ratssitzung am 15.11.22 sah der Haushaltsansatz für 2023 noch recht düster aus. Der strukturelle Jahresfehlbedarf lag bei 4,46 Millionen Euro, wovon die Bilanzierungshilfe von 1,99 Mio. Euro aus dem Covid-19-Isolierungsgesetz abgerechnet werden kann (dieser Betrag wird auf 50 Jahre in der Bilanz abgeschrieben). Der verbleibende Fehlbedarf von 2,47 Mio. Euro sollte aus der Ausgleichsrücklage entnommen werden und somit konnte immerhin ein fiktiver Haushaltsausgleich dargestellt werden. Dies war die Prognose für das kommende Haushaltsjahr. Doch dann erhielt die Verwaltung Ende November neue Eckdaten und die Finanzlage stellte sich plötzlich erfreulicher dar:

Die Anteile an der Mehrwertsteuer und der Einkommenssteuer steigen, die Kosten für die Kreisumlage und die Umlage an den Landschaftsverband sinken etwas. In 2024 wird die Kreisumlage um weitere 2 % sinken durch das Energie-Isolierungsgesetz, dass der Kreis anwenden muss. Bei der Gewerbesteuer haben wir in 2022 ein Allzeithoch von 24,2 Mio. Euro erreicht!

Somit sieht die Welt in Reichshof doch ehrlich gesagt gerade recht positiv aus. Wird der Haushalt auch heute mit einem Fehlbetrag verabschiedet, so wissen wir doch, dass von den Gewerbesteuermehreinnahmen in Höhe von 8,6 Millionen einiges übrigbleiben wird und unser Kassenbestand oder die Ausgleichsrücklage wieder aufgestockt werden kann. Das Abrutschen in die Haushaltssicherung ist für den Planzeitraum bis 2026 damit erst einmal vom Tisch.

Sind also die „Goldenen Jahre“ doch nicht vorbei, wie Anja Krämer in der letzten Ratssitzung lauthals verkündete?

Wahrscheinlich sind sie es schon, aber sicherlich ist dies nicht an dem Zustand unserer Straßen meßbar. Wir sehen aber anhand dieser hier dargestellten Entwicklung, wie es sich mit Prognosen verhält und wie schnell sich das Schlechte ins Positive und auch umgekehrt verändern kann.

Wir sind ein kleines Rädchen in einer globalisierten Welt, aber wir können trotzdem viel bewegen.

Lange Zeit dachten wir, daß ein Leben in Frieden in der westlichen Welt sicher sei, aber das vergangene Jahr hat uns wieder einmal gezeigt, dass nichts sicher ist.

Der Krieg in der Ukraine überraschte uns. Menschen kommen in unser Land, auf der Suche nach Schutz vor Zerstörung, Gewalt und Tod. Der Krieg zeigt uns unsere Abhängigkeit von den Gaslieferungen aus Russland auf. Die Energiepreise schossen in die Höhe, die Angst vor unbezahlbaren Energiekosten und einem Winter in kalten Wohnungen, womöglich auch Stromausfälle, machte sich bei uns breit. Dank der guten Arbeit unserer Bundesregierung, die von Anfang an unter Hochspannung arbeiten mußte und der Bereitschaft der Koalitionspartner die eigenen Ziele in den Hintergrund zu stellen, können wir nun halbwegs positiv in den Winter schauen. Dass es für viele Familien nicht leicht ist und viele Bezieher kleiner Renten sich sorgen, wie sie die hohen Rechnungen für Strom, Gas oder Öl bezahlen sollen, ist uns bewusst, aber da sind wir alle gefordert zu helfen, wo Hilfe nötig ist.

Hinschauen statt wegschauen, die eigenen Gewohnheiten auf den Prüfstand stellen und sich selbst in die Gesellschaft einbringen, statt immer nur zu fragen, was die Gesellschaft und der Staat für uns tun sollte, das sind die Gebote unserer Zeit.

Alle 13 Sekunden stirbt auf der Welt ein Kind unter 5 Jahren! Es verhungert oder stirbt durch Mangelerscheinungen. Es gibt weltweit 22 Kriege und 6 sogenannte bewaffnete Konflikte. Der Krieg in der Ukraine verstärkt die Hungersnöte, da die Getreidelieferungen in arme Länder ausbleiben. Aber auch Dürren und dadurch fehlende Ernten führen zu dem erschreckenden Hunger auf unserer Erde. Sie werden sich jetzt fragen, was wir, hier in Reichshof damit zu tun haben, was das Elend in der Welt mit unserer Haushaltsrede zu tun hat? Was wir daran ändern können?

Und hier sind wir beim Kernthema unserer diesjährigen Haushaltsrede: Klimawandel und Klimaschutz!

Der Klimawandel ist ein Fakt und keine Prognose mehr und er ist zum größten Teil menschengemacht!

Anfang Dezember blühten in Eckenhagen noch die meterhohen Sonnenblumen, durch lange Trockenzeiten hatte der Borkenkäfer leichtes Spiel und es gibt faktisch keine Nadelwälder vor unserer Türe mehr. Im Sommer (also gefühlt von März bis Oktober) waren die Wiesen braun wie man es früher nur aus Südeuropa kannte, das Wasser wird knapp und unsere Landwirte haben schon seit mehreren Jahren Probleme, genug Futter für den Winter einzubringen.

Kranke und alte Menschen leiden unter den extrem hohen Temperaturen, Waldbrände nehmen zu, es kommt zu verheerenden Stürmen oder Überschwemmungen wie letztes Jahr im Ahrtal! Alles Folgen des Klimawandels!

Und in anderen Erdteilen sieht es noch schlimmer aus. Durch Dürren fallen seit Jahren die Ernten aus und es kommt zu Kriegen um Ressourcen.

Was würden wir machen, wenn wir nicht genug zu essen hätten für unsere Familien?

Wahrscheinlich würden wir uns auch auf den Weg machen dahin, wo es noch genug zu essen gibt und sauberes Trinkwasser, oder wir würden auch unsere ältesten Kinder auf den gefährlichen Weg schicken, damit sie in die Heimat Geld senden oder ihre Familien nachholen können. Wir nennen diese Menschen oft abschätzig Wirtschaftsflüchtlinge, aber zu einem ganz großen Teil sind sie Klimafolgenflüchtlinge. Und die Zahl an Menschen, die vor Hunger und Krieg fliehen wird noch zunehmen, wenn wir es jetzt nicht schaffen die Klimaerwärmung unter 1,5 Grad zu bekommen. Die Wüsten werden sonst in absehbarer Zeit bis nach Mitteleuropa reichen.

Was machen wir mit all diesen Menschen, die dann zu uns kommen?

Was wird ihre Unterbringung, Eingliederung und Unterstützung uns dann kosten?

Wenn wir also hier von Dogmen wie „keine Nettoneuverschuldung“ oder „Generationengerechtigkeit“ zum Wohle unserer Kinder hören, so ist das sehr, sehr kurzfristig gedacht, wenn nicht sogar fahrlässig!

Wir müssen uns die Frage stellen: Was können und müssen wir endlich tun um unseren Enkelkindern eine lebenswerte Welt zu hinterlassen! Und zwar jetzt! Wir müssen klotzen, nicht kleckern!

Um es mit einem drastischen Zitat des Klimaforschers Hans Joachim Schellnhuber zu verbildlichen: „Ich sage Ihnen, dass wir unsere Kinder in einen globalen Schulbus hineinschieben, der mit 98% Wahrscheinlichkeit tödlich verunglückt“. Dabei spielt dann der Zustand unserer Straßen eine sehr untergeordnet Rolle.

 

In Ihrer Haushaltsrede sagten Sie, Herr Gennies, dass wir uns im Bereich des Klimaschutzes den Erfordernissen im Rahmen unserer Möglichkeiten stellen.

Durch die hohen Gewerbesteuereinnahmen haben wir Möglichkeiten, wir müssen uns nur entscheiden: Stecken wir die ca. 5 Millionen mehr in den Kassenbestand oder die Ausgleichsrücklage oder investieren wir dieses Geld für den Beginn in die Transformation unserer Gemeinde in eine Klimakommune?

Es gibt so viele Möglichkeiten und die entsprechenden Gesetze und die Anpassung des Landesentwicklungsplanes werden endlich kommen. Solarthermie, Photovoltaik, Freiflächen-Photovoltaik, Erdwärme, Wärmepumpen und Windenergie! Es darf keine Denkverbote mehr geben!

Wie auch die Gründung von Energiegenossenschaften: Diese führen zu größerer Akzeptanz in der Bevölkerung.  Die Bürger erfreuen sich an sauberer Energie und an der guten Verzinsung ihrer Einlagen.

Wenn es Gemeinden wie Saerbeck oder Wildpoldsried geschafft haben viel mehr Energie zu erzeugen, als sie selber verbrauchen, warum sollen wir das nicht auch schaffen?

Lassen Sie uns unsere Gemeinde nicht wie bisher nur ordentlich verwalten, sondern entwickeln wir Visionen! Wir müssen jetzt planen um vielleicht in 2024 mit der Umsetzung zu beginnen.

In Deutschland beträgt der Anteil an Strom aus erneuerbaren Energien 16 % Im Oberbergischen gerade einmal 8,2 %! Dabei liegt das Potential unserer Region bei über 100%!

Wie vertragen sich diese Darstellungen mit unserer Einstellung zum Schwimmbad in Wildbergerhütte?

Wenn wir das Bad sanieren, dann mit dem bestmöglichen Einsatz an erneuerbaren Energien, sozusagen als Leuchtturmprojekt! In der ersten Jahreshälfte 2023 bringt das Land NRW einen Projektaufruf heraus zur energetischen Sanierung kommunaler Schwimmbäder. Eine erfolgreiche Antragsstellung setzt eine Kostenberechnung und die 50% Reduzierung des Primärenergiebedarfs voraus. Vielleicht wäre das ein neuer Ansatz!

 

Aus dem geschilderten heraus stellen wir folgende Anträge:

  1. Wir beantragen, den Beschluss zur Nettoneuverschuldung aufzuheben zugunsten von Investitionen im Bereich energetische Maßnahmen und Klimaschutz.

 

  1. Wir beantragen, die Weiterführung der Förderung von Photovoltaikanlagen auf privaten Dächern in der Höhe von gesamt 125.000 Euro.
  2. Wir beantragen, die Einstellung eines Klima- und Umweltmanagers.

Nun kommen wir zu allgemeinen und jährlich wiederkehrenden Themen der Haushaltsreden:

Im November fand ein Treffen der SPD- Fraktion mit der Leitung der Feuerwehr Reichshof statt. Dabei erklärte uns die Feuerwehrleitung, dass sie sich außerstande sieht, die vielfältigen Aufgaben weiterhin allein ehrenamtlich zu leisten. Brandschutzbedarfsplan, Fahrzeugausschreibungen, Personalentwicklungskonzept, um nur einige zu nennen, überfordern die ehrenamtliche Tätigkeit. Zwei der drei Leitenden erklärten, daß sie ihr Amt nach Ablauf der vereinbarten Dienstzeit voraussichtlich nicht verlängern wollen. Dies wäre tragisch!

Auch die 60% Stelle des Gerätewartes reicht nicht aus und sollte auf mindestens eine ganze Stelle erweitert werden.

Wir stellen hierzu heute keinen Antrag, beauftragen aber Verwaltung und Feuerwehr sich hier noch einmal zusammenzusetzen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen um den Fortbestand einer motivierten, leistungsfähigen Feuerwehrleitung zu garantieren.

Zum Zustand unserer Straßen:

Das Wahlversprechen der CDU zu den Landtagswahlen lautete: Abschaffung der Straßenbaubeiträge! Im März 2022 hat der Landtag Ministerin Scharrenbach mehrheitlich dazu aufgefordert, ein Konzept zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge zum Juni vorzulegen. Diesem Beschluss ist die Ministerin bis dato nicht nachgekommen. Warten wir also ab.

Außerdem würde diese Abschaffung nur die Straßen betreffen, die bereits einmal nach der Straßenbauordnung hergestellt worden sind. Dies trifft aber in Reichshof nur für einen geringen Teil unserer Straßen zu.  Das haben wir anscheinend auch in den goldenen Jahren nicht geschafft.

Wir warten auch seit zwei Jahren auf das in diesem Zusammenhang erforderliche Straßenkataster, Herr Bürgermeister!

Die Kreisumlage:

Der Haushalt des Kreises wurde wieder einmal mit den Stimmen der CDU, FDP, DU, FWO und UWG verabschiedet. Obwohl Bürgermeister Gennies sich vehement gegen die erdrosselnde Kreisumlage ausspricht und die Kreistagsmitglieder auffordert im Sinne der Gemeinde Reichshof abzustimmen, folgen die Kreistagsmitglieder Osterberg und Engelbertz namentlich den Anweisungen der Kreistags-CDU und ihrem Landrat und lassen ihren eigenen Bürgermeister im Stich!

Oder ist die Empörung der CDU-Bürgermeisters nur eine Farce? Es wäre interessant zu wissen, wie sie abstimmen würden, wenn sie auch Teil des Kreistages wären!

Da wäre es sicherlich besser, einen parteilosen Bürgermeister zu haben – auch für Reichshof! Dies kann ein Ansatz für die nahe Zukunft sein.

Der Neubau des Kreishauses ist also beschlossen – die Kosten werden auf ca. 100.000.000 Euro geschätzt. Es entstehen 9.000 qm Fläche, für die es noch keine Verwendungsplanung gibt. Das Digitalisierung und Homeoffice weniger Büroflächen erfordert, stößt beim Landrat auf taube Ohren und die Feuer- und Rettungsleitstelle kommt in das Kreishaus, basta!

Alle Experten halten diese Entscheidung für falsch!

Dabei wurde im Jahr 2021 noch für sehr viel Geld ein Grundstück auf der Kotthauser Höhe erworben, um die dort ansässige Leitstelle zu vergrößern. Im Falle eines terroristischen Anschlages zum Beispiel, wäre es viel besser, die Kreisverwaltung und die Feuer- und Rettungsleitstelle an getrennten Orten zu haben, um einen Totalausfall des Systems zu vermeiden. Zudem ist die Verkehrssituation mitten in Gummersbach in unmittelbarer Nähe der beiden Gymnasien suboptimal.

Aber natürlich ist es dem Landrat nicht zuzumuten, dass er zu Dienstbesprechungen zur Kotthauser Höhe fahren muss – und das obwohl er einen Chauffeur hat!

 

Liebe Bürger und Bürgerinnen,

es gäbe noch so viel hier zu erwähnen, aber unsere Haushaltsrede ist schon lang genug. Eines möchten wir Ihnen noch ans Herz legen: Machen Sie sich für den Zusammenhalt in unserer Gemeinde stark und werden sie ehrenamtlich tätig! Ob bei der Feuerwehr, beim Schulschwimmen, in der Mensa oder im Seniorenbereich, ob in der Flüchtlingshilfe oder als Aushilfsoma. Es gibt so vieles, bei dem Sie helfen können. Man ist nie zu jung oder zu alt für ein Ehrenamt! Man opfert Zeit aber man bekommt auch so viel zurück. Ein Ehrenamt bereichert Ihr Leben!

Wir wünschen uns für das kommende Jahr eine Ehrenamtsmesse, wo alle, die Hilfe suchen und alle, die Hilfe anbieten zusammentreffen um sich kennen zu lernen. Gern können Sie uns diesbezüglich ansprechen.

Wir danken allen, die schon ehrenamtlich tätig sind, für ihren Dienst am Allgemeinwohl.

Sehr geehrte Damen und Herren, ob die SPD Reichshof dem Haushalt 2023 heute zustimmen kann, hängt allein von der Fähigkeit der hier Anwesenden ab, umzudenken und ihrem Mut zur Vision von einer zukunftsorientierten und menschenzugewandten Entwicklung für unsere Gemeinde.

Wir danken den Mitarbeitern der Verwaltung und besonders Herrn Dresbach für die konstruktive Zusammenarbeit und wünschen allen Menschen ein gesegnetes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins Jahr 2023!

Gez. Die SPD Fraktion Reichshof