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Heiß waren nicht nur die Temperaturen, als sich der Ortsverein der SPD Reichshof am vergangenen Mittwoch zur Mitgliederversammlung traf – auch das Thema des Treffens zur Lage der Sozialdemokratie sorgte für hitzige Diskussionen.

Begrüßt wurde die Versammlung, an der auch Thorsten Konzelmann, Vorsitzender der Oberbergischen SPD, sowie der stellvertretende Vorsitzende der Jusos Oberberg, Conrad Quandt, teilnahmen, von der Ortsvereinsvorsitzenden Susanne Maaß: „Wir möchten mit Euch diskutieren, über uns, unsere Partei und die handelnden Personen – und zwar auf allen Ebenen: im Bund, im Land und auch auf Kreisebene“ so Maaß, „Dabei bitten wir Euch um Eure offene und ehrliche Meinung, Eure Forderungen, Eure Ideen und Eure Anregungen“.

Doch zunächst wurde den anwesenden Mitgliedern noch einmal die Entwicklung der SPD anhand vergangener Wahlergebnisse vor Augen geführt. Die möglichen Auswirkungen auf den Reichshofer Gemeinderat schilderte der stellvertretende Vorsitzende, Andreas Horath, mit einer dramatischen Beispielrechnung zur möglichen Sitzverteilung nach der Kommunalwahl 2020. „Wir müssen uns den neuen Herausforderungen in der Gesellschaft stellen, unsere Ziele klar und deutlich formulieren und Lösungen anbieten, die die Menschen nachvollziehen und befürworten können, wenn wir uns in einem zukünftig möglichen Sieben-Parteien-System im Rat unserer Gemeinde behaupten wollen“, machte Horath deutlich.

Nach den ernüchternden Prognosen folgten die Fakten, die Maaß anhand des aktuellen Beschusses des Berliner Parteivorstandes zur Wahl der neuen Parteispitze vorstellte und zur Diskussion stellte.

Die Möglichkeit einer Doppelspitze sowie die Durchführung einer Mitgliederbefragung zur Wahl des Parteivorsitzes wurde von den Anwesenden ausdrücklich begrüßt. Kritik gab es jedoch am Auswahlverfahren der möglichen Kandidaten: „Was hat das mit Mitbestimmung zu tun, wenn Einzelbewerber die Unterstützung von mindestens fünf SPD Unterbezirken oder einem Landesverband benötigt, um überhaupt aufgestellt werden zu können?“ und „Wie soll ein solcher Prozess mit einer Bewerbungsfrist bis spätestens zum 1. September überhaupt möglich sein?“, waren die Fragen aus der Mitgliederschaft. „Somit kommen wieder nur die zum Zuge, die bereits entsprechende Positionen innehaben, bekannt sind oder ihre Seilschaften aktivieren können. Unverbrauchte, neue Gesichter werden wir wieder vergeblich auf den Stimmzetteln suchen“, so die Meinung der Anwesenden.

Auch das Thema „GroKo“ wurde diskutiert. Die wiederholte Koalition mit der CDU in Berlin sei maßgeblich an der derzeitigen Lage der SPD mitverantwortlich, da waren sich sogar ehemalige Befürworter der GroKo einig. „Unsere Kernthemen konnten nicht durchgesetzt werden. Zudem hat sich die SPD mit ihrem Verhalten zu Themen wie dem Glyphosat-Verbot, der EU-Urheberrechtsreform, dem ehemaligen Verfassungsschutz-Präsident Maaßen und einigen mehr völlig unglaubwürdig gemacht. Wichtige Aufgaben, wie unter anderem der Klimaschutz oder die sozialverträgliche Gestaltung der Digitalisierung, wurden fast völlig vernachlässigt“, hieß es einvernehmlich. Reden und Handeln würden in vielen Fällen nicht mehr übereinstimmen. „Und die Erfolge, die die SPD erzielen konnte, verpuffen viel zu oft in Kompromissen und Zugeständnissen an den Koalitionspartner“.

Wenn sich die SPD mit ihren Plänen wie u.a. der Bürgerversicherung nicht bis zur vereinbarten Halbzeitbilanz entscheidend in der Koalition durchsetzen könne, gäbe es keine Alternative zum Verlassen der GroKo, da war man sich einig. Das nach einem Bruch ein zukünftiger neuer Parteivorstand weiterhin aus ehemaligen Befürwortern der GroKo bestehen könne, sahen die meisten Anwesenden kritisch bis unmöglich.

Hitzig wurde die Diskussion dann noch einmal, als die Versammlung auf aktuelle Entscheidungen im Oberbergischen SPD Kreisverband zu sprechen kam. „In der derzeitigen Situation ist es für uns völlig unverständlich, warum der Kreisvorstand Nominierungen für den Parteivorstand in Berlin durchführt, ohne die Ortsvereine zuvor zu befragen oder überhaupt darüber zu informieren. Basisdemokratie sieht anders aus“, so die einhellige Meinung der Reichshofer Sozialdemokraten. „Es kann und darf nicht darum gehen, mit allen Mitteln einen oberbergischen Platz im Parteivorstand zu sichern, nur damit ihn kein anderer bekommt. Genau an dieser Denkweise krankt das System: Posten sichern um jeden Preis, egal ob sinnvoll oder nicht. Wir brauchen Personalentscheidungen, die uns voranbringen, die etwas bewirken können und kein stures ‚Weiter so‘! Da ist es völlig egal aus welchem Kreisverband die Kandidaten stammen“. Besonders im Zusammenhang mit aktuellen Aussagen, wie zum Beispiel der des SPD Generalsekretärs Lars Klingbeil „Wir wollen die Stärke unserer Mitglieder nutzen und weg von Hinterzimmer-Entscheidungen“, sei ein solches Verhalten ein Tritt in die Magengrube der Ortsvereine.

Das sich etwas grundlegend und auf allen Ebenen ändern müsse, da waren sich alle Anwesenden einig. „Unter anderem aus diesem Grund arbeitet der Ortsvereinsvorstand derzeit an einem Maßnahmenpaket, das wir in Kürze den Mitgliedern sowie den Reichshofer Bürgerinnen und Bürgern vorstellen und in den nächsten Monaten bis zur Kommunalwahl abarbeiten werden“, so Susanne Maaß zum Abschluss der Versammlung. „Die SPD wird noch gebraucht – auch in der Gemeinde Reichshof“.

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