„Klingt komisch, is‘ aber so!“ – Haushaltsrede 2021 der Reichshofer SPD-Fraktion

„Klingt komisch, is‘ aber so!“ – Haushaltsrede 2021 der Reichshofer SPD-Fraktion

Rede der SPD-Fraktion zur Verabschiedung der Haushaltssatzung 2021 der Gemeinde Reichshof am 09. März 2021 

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren,

seit dem 03. März 2020 ist das Thema Corona auch im Oberbergischen Kreis unser täglicher Begleiter. Wir können und wollen es bald nicht mehr hören, aber diese Pandemie wird uns noch längere Zeit begleiten. Corona führte dazu, dass viele von uns in Kurzarbeit gerieten und weniger Einkommen zur Verfügung hatten oder haben. Das betrifft fast jeden von uns, es sei denn, man ist im öffentlichen Dienst beschäftigt. Hier gibt es keine Lohnausfälle und das Einkommen steht in gewohnter Höhe zur Verfügung. Auch sind im Haushalt 2021 tarifliche Steigerungen bereits berücksichtigt. Bei vielen anderen Branchen, in denen Reichshofer Bürger arbeiten, greifen solche Automatismen leider nicht. Viele Menschen bangen um ihren Arbeitsplatz. Das beeinflusst sicherlich auch bei vielen den Blick auf die Dinge.

Für die Kommunen bedeutet die Pandemie Mindereinnahmen, die Gewerbesteuereinnahmen gingen zurück und der Anteil an der Einkommenssteuer fiel auch geringer aus, um nur die Wichtigsten zu nennen. So muss die Gemeinde Reichshof ihre Aufgaben und Verpflichtungen mit einem geringeren zur Verfügung stehenden Budget erfüllen. Man könnte also sagen, es betrifft uns fast alle! Wir alle müssen den Gürtel enger schnallen!

Aber nein, da gibt es einen Ort im Oberbergischen wo man sagt, was kümmert uns die Not der Bürger und die Not der angeschlossenen Kommunen – wir brauchen mehr Geld – und das holen wir uns auch! Solidarität hin oder her – wir brauchen das Geld und erhöhen die Kreisumlage! Sollen die Kommunen doch sehen, wo sie es hernehmen. Sie können ja auch höhere Steuern von ihren Bürgern fordern oder Ihre Notreserven, die Ausgleichsrücklage, aufbrauchen.

Nur so ist es für uns zu erklären, dass der Oberbergische Kreis in dieser, für uns alle schwierigen Zeit, die Kreisumlage in ihrem Doppelhaushalt 2021 /2022 um 1,6458 bzw. 3,7177 Prozentpunkte erhöhen will. Die Gesamthebesätze für Reichshof (inkl. Jugendamtsumlage, Berufsschulumlage und Volkshochschulumlage) steigen sogar um 1,6727 und 5,0617 Prozentpunkte! Nur um es einmal deutlich zu machen, ein Prozent höhere Kreisumlage bedeutet für die Gemeinde Reichshof ca. 280.000 Euro Zahllast mehr! In diesem Fall steigt die Mehrbelastung durch die Kreisumlage für Reichshof um 472.000,- Euro für 2021 und um 1.467.000,- Euro für 2022. Am Ende des Finanzplanzeitraums 2024 werden wir unglaubliche 21,15 Mio. Euro nach Gummersbach überweisen müssen, was einer Mehrbelastung von rd. 4,5 Mio. Euro entspricht.

Die Maus, die wohl jeder von uns aus dem Fernsehen kennt und die dieses Jahr fünfzig wird, würde es vielleicht so erklären:

Wer ist denn eigentlich der Oberbergische Kreis und wer kontrolliert diesen monströsen Apparat und stellt die Weichen? Es sind die oberbergischen Kreistagsmitglieder, unsere gewählten Volksvertreter. Die Kreistagsmitglieder lenken die Verwaltung, stimmen den Vorschlägen der Kreisverwaltung zu und stellen eigene Anträge. Also zumindest glauben Sie das. Sicherlich kann man als Kreistagsmitglied vielen Vorlagen der Verwaltung nur zustimmen, wenn es z.B. um Kinderbetreuung und Jugendhilfe geht. Aber eigentlich ist die Aufgabe zu hinterfragen, ob z.B. die Personalquote beim Oberbergischen Kreis im Landesdurchschnitt liegt, oder höher ist. Denn das kostet dann auch mehr Geld. Auch ist es immer gut selbst Anträge zu stellen um den Kreis und somit die Kommunen nach vorne zu bringen, aber auch hierbei sollte man stets die direkten Kosten für die Kommunen und auch die Folgekosten im Auge behalten! Was nützt mir eine 50 % Förderung bei der Erstellung, wenn ich später finanziell nicht in der Lage bin, den Park oder die Gebäude in Ordnung zu halten?

Und? Wer bestimmt das Ganze? Die Mehrheit der Kreistagsmitglieder. Das sind die Kreistagsmitglieder der CDU, FDP, UWG, DU und der FWO. Die stimmen auch sicherlich in diesem Jahr wieder dem Kreishaushalt zu.  Machen Sie nämlich immer! In ihren Räten tun Sie aber so, als ob sie die Interessen ihrer Kommune vertreten. Im Reichshof ist das der Otto Engelbertz und der Axel Osterberg. Dem Axel kann das egal sein, der ist ja nicht mehr im Gemeinderat. Dem Otto ist es vielleicht nicht egal, dass die Reichshofer Bürger mehr belastet werden durch den Kreis. Er stimmt aber trotzdem dafür auch wenn es für Reichshof schlecht ist. Warum? Weil das alle so in seiner Fraktion machen.

Klingt komisch, is‘ aber so!

Auch wenn der Oberbergische Kreis mittlerweile einlenkt und die Kreisumlage für 2022 um 0,65% weniger erhöhen will, reicht dies nicht aus um die oberbergischen Kommunen, die sich bis auf zwei im Nothaushalt oder im Stärkungspakt befinden, zu entlasten. Die Finanzmittel, die den Kommunen fehlen um die Forderungen des Kreises zu zahlen, müssen aus der Ausgleichsrücklage genommen werden. Diese Notreserven sind bei einigen Kommunen mittlerweile fast vollständig aufgebraucht.

Auch der Kreis verfügt über eine Ausgleichsrücklage. Im starken Gegensatz zu den Kommunen, ist diese bisher aber fast unangetastet. Solidarität seitens des Kreises würde bedeuten, die Kommunen nicht stärker zu belasten und die eigene Ausgleichsrücklage in Anspruch zu nehmen.

Aber kommen wir zurück zur Gemeinde Reichshof:

Wie gesagt, die Corona Pandemie hat uns alle schwer eingeschränkt. Sowohl finanziell als auch privat. Immerhin sehen wir mittlerweile ein Licht am Ende des Tunnels durch eine uns hoffentlich bald allen zur Verfügung stehende Impfung.

Aber es gibt eine weitere, weltweite Pandemie – der Klimawandel!
Der Klimawandel wird uns noch viele Jahre beschäftigen und muss endlich, auch im Reichshof, ein Kernthema von Verwaltung und Rat werden.

Da ist ein Antrag zur Erstellung eines Radwegekonzeptes ganz nett, ein Antrag zur Förderung von Photovoltaik klingt gut und beides suggeriert, dass die CDU sich um unser Klima kümmert. Die Anträge klingen aber fast schon zynisch, wenn man weiß, dass mit den Stimmen von CDU, FDP und FWO die Bildung eines Umwelt- und Klimaschutzausschusses noch im November abgelehnt wurde!

Dieser Ausschuss wurde übrigens in etlichen Nachbarkommunen mit der neuen Ratsperiode ins Leben gerufen – mit Recht!

Wir müssen handeln und neue Wege gehen, denn die kahlen Hügel, wo bis vor einem Jahr noch Fichtenwälder standen, sind erst der Anfang. Sie sehen nicht schön aus aber wir müssen das so hinnehmen. Windräder sind auch nicht unbedingt schön aber sie sind ein Mittel saubere Energie zu erzeugen.  Könnten wir uns also nicht auch an diesen Anblick gewöhnen? Vielleicht ist es jetzt der richtige Zeitpunkt um über Windenergie nachzudenken und alte Ideologien zu überdenken. Der Ministerpräsident NRW, Armin Laschet, plant gerade ein Gesetz, dass den Ausbau von Windkraft verhindert. Sollte er der zukünftige Bundeskanzler werden, sehen wir für den Klimaschutz buchstäblich schwarz!

Die Zeit läuft uns weg und auch wir hier im Reichshof müssen versuchen, gegen den Klimawandel vorzugehen. Daher halten wir es für erforderlich einen Klimaschutzbeauftragten zu benennen und zu fördern, denn den gibt es bei der Gemeinde Reichshof, im Gegensatz zu vielen anderen Kommunen, auch nicht.

Es kann nicht sein, dass diesbezügliche Informationen und Aufgaben im Ratsbüro landen und dann auf beliebige Mitarbeiter verteilt werden. Hier ist Spezialwissen und vertieftes Engagement gefragt.

Wir stellen hiermit den Antrag, einen Klimaschutzbeauftragen zu benennen und diesen durch geeignete Maßnahmen zu fördern.

Sehr geehrte Damen und Herren, Corona hat uns viel Zeit gegeben, um spazieren zu gehen oder zu wandern. Es hat unser Leben ein Stück weit runtergefahren und uns gelehrt, auch in den einfachen Dingen viel Schönes zu sehen.

Wenn wir jedoch zu Fuß im Ferienland Reichshof unterwegs sind fällt uns einiges auf:

Die Wanderwege und -Parkplätze sind schlecht oder gar nicht ausgeschildert.

Es gibt kaum Ruhebänke und Abfalleimer oder Plätze für ein Picknick oder eine Rast, geschweige denn öffentliche Toiletten. Wir haben keinen Aussichtsturm mehr und auch sonst gibt es so gut wie nichts, womit man Familien begeistern könnte, kostenlose Angebote, wie z.B. einen Trimm-Dich-Pfad oder einen Abenteuerspielplatz. Wie gut würde ein toller Spielplatz, der auch für größere Kinder geeignet ist z.B. auf dem Blockhaus passen, mehr Bänke oder Picknickplätze, – einfache Dinge, die nicht so viel kosten und nicht schon ein Vermögen an Planungskosten verursachen. Auch über eine öffentliche Toilette im Gemeindegebiet müssten wir einmal nachdenken.

Hier sollte die Gemeinde Reichshof unbedingt tätig werden!

Das Angebot für eine Gemeinde mit einem eigenen Tourismusbüro ist in unseren Augen beschämend!

Eine weitere Herzensangelegenheit für uns ist die hausärztliche Versorgung.

Wir wissen natürlich, wie schwierig es ist Ärzte für eine Praxis auf dem Land zu finden, aber wir dürfen nicht locker lassen in unseren Bemühungen.

Herr Bürgermeister, dieses Thema haben Sie vor einigen Jahren zur Chefsache erklärt!
Zeitgemäß wäre ein Ärztehaus mit angeschlossener Physiotherapie und einer Tagespflege für ältere Menschen. Wenn das eine Ortschaft wie Hülsenbusch schafft, müsste das auch für uns möglich sein. Hier müssen wir alle gemeinsam dran arbeiten.

Was uns noch Kopfzerbrechen bereitet, ist der Rückgang der Bevölkerung im Reichshof. Jedes Jahr verlieren wir 50 Mitbürger und sind jetzt bei etwa 18.600 Einwohnern.

Wir müssen versuchen, ein attraktiver Lebensraum zu sein. Wir haben gerade im letzten Jahr viele junge Familien kennengelernt, die ein älteres Haus im Reichshof gekauft haben. Das freut uns und wir sind der Meinung, dass vielleicht auch gerade durch Corona der Wunsch nach einem eigenen Haus mit Garten gewachsen ist. Hier müssen wir anknüpfen und bezahlbaren Wohnraum, Bestandshäuser und günstige Baugrundstücke anbieten. Dies kann und darf nicht beschränkt sein auf die großen Ortschaften oder Baulückenschließung. Auch in kleineren Ortschaften müssen freie Grundstücke, die eine gute Anbindung an die A4 haben und bereits durch Straßen erschlossen sind, als Bauland ausgewiesen werden können.

Mehr Einwohner bedeuten höhere Anteile für die Gemeinde an der Einkommenssteuer und ermöglichen die Aufrechterhaltung unserer Infrastruktur.

Auf Initiative der SPD wurden im letzten Herbst die Entscheidungen der Ausschüsse wegen der Corona-Pandemie auf den Hauptausschuss delegiert. Sichere Sitzungen waren in unseren Augen nicht möglich. Leider ist es aber vom Gesetzgeber her nicht möglich, in online-Sitzungen Beschlüsse zu fassen. Das dies bei Weltwirtschaftskonferenzen und Sitzungen der Bundesminister geht, in einem Gemeinderat aber nicht, ist für uns nicht nachvollziehbar.

Auch hat uns die Pandemie gezeigt, wie wichtig heutzutage gutes Internet und eine gute digitale Ausstattung unserer Schulen und Schüler ist. Diese Investitionen sind zukunftsweisend und wichtig! Ein weiterer Ausbau muss erfolgen.

Sehr geehrte Damen und Herren,
der vorgelegte Haushaltsentwurf sieht hauptsächlich wirklich nur das vor, was vertraglich oder gesetzlich geleistet werden muss. Er enthält weder Grundsteuer- noch Gewerbesteuererhöhungen. Auch in den Eigenbetrieben sind keine Erhöhungen für Wasser oder Abwasser vorgesehen. Aus diesem Grund stimmen wir dem Haushaltsentwurf, dem Stellenplan und den Wirtschaftsplänen der Eigenbetriebe Wasser und Abwasser zu!

Den Anträgen der FDP und den Anträgen aus dem Themenspeicher der CDU stimmen wir mit gewissen Vorbehalten zu. Unseren Antrag einen Klimaschutzbeauftragten zu benennen haben wir bereits gestellt. Wir werden aber nicht, wie andere, kostspielige Anträge stellen, da wir der Meinung sind, dass dies bei leeren Kassen nicht angesagt ist.

Meine Herren der FWO, wir kommen nicht umhin, Sie an dieser Stelle besonders zu erwähnen. Haben Sie uns nach der Kommunal 2014 noch vorgeworfen, wir hätten uns der CDU angebiedert, fragen wir uns heute, was Sie vergangenen November gemacht haben, als erst durch Ihre gemeinsame Sache mit der CDU, die stellvertretenden Bürgermeister und die Ausschüsse nun so sind wie sie sind. Alles nur dafür, dass es einen stellvertretenden Bürgermeister der FWO gibt! Da fragen wir uns schon, wer hängt denn nun am Rockzipfel der CDU? Daher sind wir sehr gespannt, wie Sie über den Haushalt abstimmen werden.

Zum Ende meiner Rede möchte die SPD-Ratsfraktion den Mitarbeitern der Verwaltung für die Aufstellung des Haushaltsentwurfs und für die konstruktive Zusammenarbeit im vergangenen Jahr danken.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Ralf Oettershagen
(Fraktionsvorsitzender der SPD im Rat der Gemeinde Reichshof)

Marlies Schirp
(stellv. Fraktionsvorsitzende der SPD im Rat der Gemeinde Reichshof)

Reichshof, den 09. März 2021